Sonntag, 26. August 2012

Pusher I-III (1996, 2004, 2005)


"Der Kerl hielt mich für ein billiges Flittchen! Ich bin ein Champagner-Mädchen" - "Was ist das für ein Unterschied, ob man für 300 oder 3000 die Beine breit macht?"



Da die dänische bzw. skandinavische Filmkunst hier bisher eindeutig zu kurz gekommen ist, breche ich jetzt mal eine Lanze für eins meiner liebsten Produktionsländer in Form eines Gangster-/Drama-Bastards:

Die Pusher-Trilogie umfasst 3 Werke, die 1996, 2004 und 2005 in der Schmiede des dänischen Regisseurs und Produzenten Nicolas Winding-Refn entstanden sind. Schauplatz aller im Kleinkriminellen- und Drogen-Milieu spielenden Teile ist die Hauptstadt Kopenhagen. Am Anfang eines jeden Films werden die Protagonisten in einer musikalisch begleiteten Sequenz im Halbdunkel vorgestellt: Da wären der in allen Teilen agierende Boss einer serbischen Gang, Milo (Zlatko Buric), sein Handlanger und "Freund" Frank (Kim Bodnia), dessen Sidekick Tonny (Mads Mikkelsen), die Gogo-Tänzerin Vic (Laura Drasbæk), Tonny's Vater (Leif Sylvester) oder die serbische Allzweckwaffe Radovan (Slavko Labovic).

Im ersten Teil verfolgt man die beiden Kleingangster Frank und Tonny bei ihrem normalen Tagesablauf: Saufen, Drogenhandel- und Konsum, Schlägereien in Bars, Philosophieren auf niederem Niveau oder einfach der Versuch, irgendwie an Geld zu kommen. Beide haben es nicht sehr weit im Leben gebracht und leben nur für den täglichen Kick und den Kampf gegen die Aussichtlosigkeit und Geldnot. Frank zum Beispiel pflegt eine zweckmäßige Beziehung mit der Tänzerin Vic, die durch ihn ihr Heroin bekommt und gerne mit ihm aus ihrem hoffnungslosen Leben ausbrechen würde. Frank ist jedoch nur darauf aus, seinen Stoff bei ihr zu verstecken und hat kein Interesse daran, in dieser "abgefuckten Junkiemöse" herumzustochern. An zahlreichen Beispielen erschließt sich einem immer mehr seine misogyne Ader, die ihn durchaus auch handgreiflich werden lässt. Tonny ist Frank sowohl geistig als auch körperlich unterlegen, doch genau deswegen ist er scheinbar der Einzige, der sich wirklich noch freiwillig länger in der Nähe des unberechenbaren, komplexbeladenen Junkies aufhalten möchte. Dieser unheilvolle Mix führt letztendlich dazu, dass ein wichtiger Deal platzt und Freundschaften auf die Probe gestellt werden, summa sumarum ist sich jeder selbst der Nächste. Zu allem Überfluss wäre da natürlich noch Milo, der brutale Serben-Gangboss, der mit allen Mitteln sein Geld zurück will, mit dem nüchtern-kühlen Radovan an seiner Seite. Für Frank wird es langsam eng und schlussendlich steht das Einzige, das ihm noch bleibt, auf dem Spiel ...



Ein paar Jahre später wird man Zeuge, wie Tonny nach einem Gefängnisaufenthalt versucht, wieder Fuß in Freiheit zu fassen. Doch diese Freiheit gestaltet sich nicht viel besser als seine Zeit hinter Gittern. Hatte er vorher schon wenig Verbündete, so haben sich die Reihen nun noch mehr gelichtet. Er erhält etwas Mitleid von seinem gutmütigen Onkel, darf sich ab und zu im "Jetsetleben" des Prolls "Mösen-Kurt" bewegen und schnorrt immer wieder seinen alten Kumpel Ø an. Kurt jedoch missbraucht Tonny's Gutmütigkeit und die ausweglose Situation, in der er sich befindet, Ø hat andauernd seine Freundin Gry im Nacken, die ihn heiraten möchte und Tonny verachtet und der Onkel erkennt auch schnell, dass er lieber nicht seine Hoffnung in Tonny gesetzt hätte. An der Spitze all dessen steht der "Boss of it all", Tonny's Vater alias Der Schmied. Dessen ganze Aufmerksamkeit gilt seinen illegalen Geschäften, die von Autoschmuggel über Prostitution, Drogenhandel und Erpressung führen, in die er seinen missratenen Sohn aus erster Ehe nicht mit einbeziehen möchte. Zusätzlich ist da auch noch des Schmieds Ein und Alles, sein anderer Junge, den er mit einer "ebenso missratenen Nutte" gezeugt hat. Sogar Ø, das macht er Tonny unmissverständlich klar, wäre ihm als Sohn lieber. Natürlich kommt alles ganz anders und Tonny wird aus seinem Hass und der Verzeiflung heraus doch wieder aktiv, bekommt Chance um Chance, was sich bald bitter rächen wird, zu allem Überfluss findet er schließlich auch noch heraus, dass er mit einer stadtbekannten Schlampe einen Sohn gezeugt hat ...



Teil 3 beleuchtet das Leben des bereits vorgestellten Gangsterbosses Milo. Dieser ist in den vergangenen Jahren noch am besten weggekommen, auch wenn sein Top-Mann Radovan seiner Familie zuliebe ein ehrbarer Bürger geworden ist. Mittlerweile ist die Gang umgezogen und hat ihr Hauptquartier in einer abgelegenen Industriegegend aufgeschlagen, als Fassade dient eine serbische Kneipe. Doch das Business läuft schlecht und Milo hat stark mit seiner Sucht zu kämpfen, denn auch er ist heroinabhängig. Wenn Milo mal nicht mit seinen miserablen Kochkünsten seine Kumpanen vergiftet, versucht er, den Drogenhandel in Kopenhagen immer mehr unter seine Kontrolle zu bringen. Doch auch hier gibt es wieder einige Stolpersteine, denn in Kopenhagen's Unterwelt läuft nichts nach Plan. So muss der Serbe sich mit dem Kleindealer Mohammed, dem selbsternannten "King of Kopenhagen", herumärgern, zwischen seinen Geschäften und den Treffen bei den Anonymen Süchtigen für die ganze Sippe zum Geburtstag seiner Tochter Milena kochen oder skurrile Charaktere wie einen polnischen Mädchenhändler von seinem Grundstück vertreiben. Im weiteren Verlauf der Handlung offenbart sich Milo's gestresster, schwacher Charakter in einer Schlüsselszene, in der er nach einiger Zeit an Abstinenz wieder schwach wird und zu qualvoller Musik auf einer Restauranttoilette eine H-Zigarette raucht. Schließlich fühlt er sich sogar genötigt, in seiner Not den alten Weggefährten Radovan aus dessen neuen Leben heraus zu reaktivieren ...
Auch im letzten Akt hat Refn wieder ein besonderes Ende vorbereitet, das die Trilogie gewissermaßen abschließt, den Zuschauer jedoch trotzdem zu einem gewissen Teil hungrig zurück lässt.




Wer auf Happy Ends steht, sollte um diese Filme einen Bogen machen. Denn abgesehen vom doch sehr eigenen, schwarzen Dänen-Humor wird man umher getreten zwischen Drogenkonsum, zweckmäßiger Gewalt, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, Hass und diversen Traumata, "Street-credibility" nennt sich das Ganze - Refn versucht gar nicht erst, einen zweiten, glattgeleckten hollywoodesken Musteraufstieg des Bösen zu erschaffen. Stattdessen hält er sich an glaubwürdige Storylines, Laiendarsteller für die Nebenrollen, echte Schauplätze und ein überschaubarers Budget. Jede Figur hat ihre guten und schlechten Seiten, letztendlich versteht es der Macher jedoch sehr gut, alle Charaktere regelmäßig ins Schlechte und Dreckige abdriften zu lassen, so dass man als Zuschauer gar nicht genug Zeit bekommt, so etwas wie Mitleid oder gar Sympathie zu empfinden. Neben dem bis zum ersten Teil lediglich aus "Nightwatch - Nachtwache" bekannten Kim Bodnia dürfte der breiten Masse lediglich noch Mads Mikkelsen ein Begriff sein, der im Trilogie-Anfang seine erste große Rolle erhalten und sich mittlerweile sogar schon in Übersee einen Namen gemacht hat. In der Reihe der größtenteils ordentlich agierenden Nebendarsteller fallen besonders die beiden Serben Zlatko Buric und Slavko Labovic positiv auf, vor allem Labovic (Radovan) wurde verständlicherweise die Nähe zum kriminellen Milieu nachgesagt. Schwächen zeigt der Film bei den nicht immer ganz ausgereiften Dialogen, was allerdings auch nur aufgrund von Synchronisationspatzern bei Sichtung der deutschen Version auffallen könnte, und einigen kleinen Plotholes. Abgesehen davon hat Nicolas Winding-Refn hier eine in Kreisen von Cinemaniacs durchaus respektierte Gangster-Drogen-Trilogie fabriziert, deren ehrliche Handlung und harte Inszenierung auf alle Fälle immer noch zeitgemäß ist und die mit anderen Größen des neueren dänischen Films wie In China essen sie Hunde, Bleeder, Dänische Delikatessen, Flickering Lights oder Stealing Rembrandt unbedingt genannt werden muss!


Interessant ist, dass es nur durch ein unglückliches Ereignis zur Entstehung der Trilogie kam. Der 2003 releaste Fear X floppte und Winding-Refn's Produktionsfirma Magnolia-Pictures stand vor dem Aus. Aufgrund dessen arbeitete er fieberhaft an 2 Fortsetzungen des von Kritikern positiver aufgenommenen Pusher, was letztendlich bis 2008 seine Firma vorerst rettete.


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