Freitag, 1. Juni 2012
Rosso sangue (1981)
Nach "Buio Omega" (1979) und "Anthropophagus" (1980, auch bekannt als "Man Eater") drehte Aristide Massaccesi alias Joe D'Amato einen weiteren reinen Horrorfilm, der 1981 herauskam und auch als "Anthropophagus II" vermarktet wurde.
"Rosso sangue" - so der Originaltitel des auch als "Absurd" veröffentlichten Films - ist offenbar schon früh gekürzt worden, um das Tempo des Films zu erhöhen, und so liegen bis heute Teile des Films nur in einer sehr unbefriedigenden Qualität vor, offenbar aus VHS-Fassungen stammend. In DVD-Veröffentlichungen wurden diese Szenen aber oft wieder mit einbezogen, obwohl sie weitgehend verzichtbar sind, wie etwa die Belästigung eines herumtorkelnden Alkoholikers seitens einiger Motorradfahrer, die offenbar hauptsächlich zur Einführung der Polizisten dient, die später den Mörder verfolgen. Auch die nicht vor allzu langer Zeit unter dem Fantasietitel "Horrible" erschienene US-DVD vermag - ebenso wie die alten deutschen DVD-Ausgaben - nicht so recht zu überzeugen, da die Bildqualität wegen der eingeschobenen Schnipsel des Öfteren so stark wechselt, dass man das Gefühl hat, einen Mischsalat verschiedener Fassungen zu sehen. Der Großteil des Films ist jedoch in brauchbarer Qualität enthalten, abgesehen von einem penetranten hellen Streifen am rechten Bildrand.
Den Großteil des Werkes von Aristide Massaccesi machen Erotikproduktionen aus, beispielsweise zahlreiche Filme mit Laura Gemser in der Hauptrolle. Zusammen mit den zuerst genannten beiden Filmen bildet "Rosso sangue" ("Rotes Blut") eine Art Trilogie herber, inhaltlich nihilistisch wirkender Horrorstreifen, in deren Mittelpunkt jeweils ein Mörder steht: in "Anthropophagus" aus Hunger auf Menschenfleisch, in "Buio Omega" aus Frauenhass und in "Rosso sangue" schlichtweg aus reinem Zerstörungsdrang, ausgelöst durch nebulöse biochemische Experimente. Dabei unterscheidet sich "Buio Omega" stark in der Anlegung der Hauptfigur; während die anderen beiden Filme einen riesenhaften, grobschlächtigen Killer mit wahnsinnigem Blick zeigen, ist der von Kieran Canter dargestellte Frauenmörder in "Buio" ein kaltblütiger Schönling mit eisig-blauen Augen.
In Anknüpfung an "Anthropophagus" ist der Mörder hier ebenfalls Grieche, was auch im Film (zumindest der englischen Sprachfassung: "That other fellow was Greek, too") genutzt wird, um eine Verbindung herzustellen, die in Wirklichkeit vor allem in der erneuten Wahl des hünenhaften Darstellers Luigi Montefiori alias George Eastman besteht. Wiederum ist dessen Figur stumm und auch nicht ansprechbar. Sie agiert rein physisch und rein destruktiv. Schlüsselmomente sind das unerwartete Aufstehen (vom OP-Tisch) und Auftauchen des schwarzbärtigen Killers, der allein durch seine Größe und seinen von Mordlust erfüllten Blick seine Opfer nahezu zu Tode ängstigt. Während die Killer in zahlreichen amerikanischen Horror-Produktionen der 80er Jahre mit Maske zu Werke gingen, kann Eastman mit unverhüllter Terror-Mimik am besten überzeugen. Vom Staub des Italowesterns bis in die seelischen Abgründe des 80er-Horrors absolvierte der Darsteller, der mitunter auch als Autor tätig war, eine typische italienische B-Movie-Karriere (B-Movie ist dabei nicht als Abwertung zu verstehen - denn was Eastman in Filmen wie "Anthropophagus" und "Rosso sangue" getan hat, hätte wohl kaum jemand überzeugender machen können).
Massaccesi betonte in Interviews mitunter, dass er Filme hauptsächlich gemacht habe, um damit Geld zu verdienen. Gegnern des B- beziehungsweise Genrefilms spielen solche Äußerungen natürlich in die Tasche. Hier die große Kunst, dort die schnelle Lira. Aber die Sicht des Künstlers auf sich selbst muss der Rezipient nicht übernehmen - oft bedarf es geradezu der Sicht des am Entstehungsprozess unbeteiligten Zuschauers, um ein Werk vollumfänglich würdigen zu können. Die Filme der genannten Trilogie haben eine dunkle und wie schon erwähnt nihilistische Qualität. Die Parameter filmischer Gestaltung sind effektiv aufeinander abgestimmt, wenn Eastman zu böse gurgelnden Synthesizer-Klängen mit irrem Blick seine Opfer verfolgt. Die Momente, in denen er in Erscheinung tritt, haben das, was manchmal als "auf den Punkt inszeniert" bezeichnet wird. Bei den Morden, zu denen sich der Irre zu Hilfe nimmt, was immer gerade in der Nähe ist - einen Bohrer, eine Säge oder auch mal einen Backofen - wird unverblümt draufgehalten und garstigen Detailaufnahmen gefrönt, wie Massaccesi es auch in "Buio Omega" zum Entsetzen des Jugendschutzes tat. Mitunter sorgt aber auch ein lockiger kleiner Junge für den wahren Horror, wenn er beim Fernsehen einen Wahnsinnsaufstand macht, weil umgeschaltet wurde, oder minutenlang ununterbrochen um Hilfe rufend an eine Tür hämmert, während seine Schwester drinnen in ihrem Krankenbett gefangen ist. Hieran ist natürlich nicht der Kinderdarsteller Kasimir Berger schuld, sondern die typische nervige Inszenierung von Filmkindern im italienischen 80er-Horror, die auch Lucio Fulci damals auf die Spitze trieb und über deren Motivation man nur spekulieren kann. Von den Darstellern ist des Weiteren noch die hübsche Annie Belle zu erwähnen, die auch in zahlreichen weiteren Genrefilmen aus dem Horror- und Exploitationbereich wie etwa Jean Rollins "Lèvres de sang" und Ruggero Deodatos "La casa sperduta nel parco" zu sehen war.
Ein kurioses Faktum ist, dass in "Rosso sangue" quasi eine echte kleine Familie zusammen spielt. Katya und Kasimir Berger, hier als Geschwister zu sehen, sind die Kinder des vor allem durch Italowestern bekannten österreichischen Schauspielers William Berger und der Kroatin Hanja Kochansky, die hier in der Rolle der Mutter zum Einsatz kommt. Ein weiterer Spross der Schauspielerfamilie, William Bergers Tochter aus erster Ehe, ist Debra Berger, die beispielsweise in "Die Hinrichtung" (Born for Hell) als Schwesternschülerin auftrat und insgesamt außer ihrem Vater die meisten Filmeinträge aufweise kann. Bei den Darstellern werden den Fans des Regisseurs noch Mark Shannon und Lucía Ramirez (in einem "Film im Film") sowie Freunden des italienischen Genrekinos Michele Soavi auffallen, der später als Regisseur von "La chiesa", "La setta" und "Dellamorte dellamore" zur neuen Hoffnung des italienischen Horrorfilms aufsteigen sollte.
Eine verwertbare Moral bieten diese Filme nicht an und es gibt keinen großen Helden, der sich dem Bösen mutig entgegenstellen würde. Ein Polizeiinspektor und ein Priester, der kurioserweise auch für die Menschenversuche am mörderischen Griechen verantwortlich ist, begeben sich zwar auf die Suche nach dem Killer, agieren dabei aber denkbar ineffektiv. Am mutigsten ist in "Rosso sangue" kontrastiv zum Versagen der Autoritätsfiguren ausgerechnet die schwächste Person, ein bettlägeriges etwa 14-jähriges Mädchen, gespielt von Katya Berger, das sich aus einer komplizierten Stabilisierungs-Konstruktion (offenbar Folge eines Unfalls) befreit und mit einem Zirkel gegen den rasenden Killer antritt. In einer schönen Anfangsszene sehen wir, dass Katya damit immer wieder Kreise (das Symbol der Unendlichkeit) zeichnet - und das drastische Schlussbild scheint damit zu korrespondieren, ein Weiterbestehen des Bösen anzudeuten.
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Siehe auch ROBOENZAs Text zu Anthropophagus ("Man Eater")
"Rosso sangue" bei der IMDB
http://www.imdb.com/title/tt0084028/
und bei der OFDb
www.ofdb.de/film/414,Absurd
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