Montag, 3. Februar 2014
Claymore (2007)
Auch wenn sie keine Kinoproduktionen sind, verdienen ambitionierte Anime-Serien die Aufmerksamkeit des Cineasten. Hier soll es um die 2007er Manga-Adaptation Claymore gehen, für deren Titel ein zweihändig verwendetes schottisches Schwert Pate stand. Produziert wurde die Serie nach dem gleichnamigen Manga von Norihiro Yagi unter der Regie von Hiroyuki Tanaka vom Studio Madhouse.
Die Claymore-Schwertkämpferinnen sind halb Mensch, halb Monster, von einer obskuren "Organisation" ausgesandt, um die Menschen gegen die Yôma, dämonische menschenfressende Kreaturen, zu verteidigen. Doch wenn die Claymore ihre nichtmenschlichen Kräfte überstrapazieren, drohen sie zu Erwachten Wesen zu werden, noch schlimmeren Kreaturen als die Yôma.
Clare (Sprecherin: Hôko Kuwashima), die als Kind bei einem Yôma-Angriff ihre Familie verlor und von der Claymore-Kriegerin Teresa (Romi Park) als Begleiterin aufgenommen worden war, wurde zu einer begabten Kämpferin der "Organisation", die bedrohten Städten im Kampf gegen die Yôma beisteht. Obwohl sie als Nr. 47 in der Rangfolge ihrer Einheit an niedrigster Stelle steht, erweist sie sich als äußerst widerstandsfähig. Mit Miria (Kikoku Inoue), Helen (Miki Nagasawa) und Deneve (Hana Takeda) schließt sie ein Bündnis gegen ihre Organisation, um deren korruptes Treiben bloßzustellen.
Doch ihr geheimes Ziel ist die Rache an Priscilla (Aya Hisakawa), die ihr einst größtes Leid zufügte. Der junge Raki (Motoki Takagi) begleitet Claire auf ihrem Weg zu immer gefährlicheren Aufgaben, bis sie ihn zurücklassen muss. Raki will sie wiederfinden und alles daransetzen, zu verhindern, dass Claire die Kontrolle über sich verliert und selbst ein Monster wird.
Eisig schöne Frauenfiguren, die im Bann eines kaum vermeidlichen Verhängnisses ständig an den Grenzen der Zurechnungsfähigkeit und somit am Rand des Abgrundes ein kaum honoriertes Tötungshandwerk verrichten: "Claymore" ist nicht nur eine gekonnt erzählte Fantasy-Geschichte, sondern hält auch einige auf die Gegenwartsgesellschaft übertragbare Kritik an schattenhaften Arbeitgebern bereit, die ohne eigenes Risiko ihre Einsatzkräfte nach Belieben ge- und missbrauchen - und diese entsorgen, wenn sie - die Einsatzkräfte - die Grenze zwischen Menschlichkeit und Monstrosität irreversibel überschritten haben.
Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Gentechnik stellt sich die Frage, ob eine Institution, die Hybridwesen zum Einsatz gegen Monster züchtet, ein komplettes Hirngespinst ist oder nicht doch im übertragenen Sinne eine realistische Zukunftsvision darstellt. Davon sollte das mittelalterartige Szenario nicht ablenken. Die bittere Wahrheit lässt sich schnell erahnen: Auch die Monstren, gegen die die Claymore-Kriegerinnen kämpfen, sind zum großen Teil fehlgeschlagene Züchtungen derselben Organisation, die den bedrohten Menschen scheinbar schützend zur Seite steht und dafür reichlich abkassiert. Dass die Claymore-Frauen selbst bei Überspannung ihrer Kräfte zu gewaltigen Monstren mutieren, und diese Überspannung von der Organisation teilweise sogar forciert wird, bedeutet, dass die Herren der Claymore-Kriegerinnen die Gefahr, die sie zu bekämpfen vorgeben, gleichzeitig ständig am Leben erhalten, um an den Menschen weiter verdienen zu können.
Natürlich lässt sich "Claymore" auch als spannungsreich und dicht erzähltes Abenteuer mit intensiven und konfliktreichen Figurenverhältnissen genießen. Das visuelle Konzept überzeugt durch seine Klarheit und Einheitlichkeit. So unterscheiden sich die (nicht zuletzt dank ihrer runenartigen Abzeichen) leicht walkürenartig anmutenden Claymore-Frauen bei gleicher Ausrüstung und Uniformierung nur in Details, die dennoch markant genug sind, um Eindeutigkeit zu gewährleisten. Die Charakterisierung funktioniert besonders durch die trefflich gehaltene Balance zwischen grimmiger Kampfbereitschaft und unterdrückter, aber mitunter ausbrechender Emotionalität.
Kritisch sehen kann man die besonders gegen Ende immense Dauer der Kämpfe, die sich teilweise über mehr als eine Episode hinziehen und mitunter von den Beteiligten etwas redundant kommentiert werden. Zudem wird der Waisenjunge Raki, der die Hauptfigur Claire anfangs stets begleitet, gegen Ende durch sein recht naives Gebaren ein bisschen zur Nervensäge. Des Weiteren handelt es sich beim Ausgang in Episode 26 um ein in vielen Hinsichten offenes Ende (da der zugrundeliegende Manga nach wie vor nicht abgeschlossen ist), was auch manchen Zuschauer stören könnte, der die Handlungsstränge seiner Geschichten lieber abgeschlossen und besiegelt sehen möchte. Aber diese Dinge sind letztlich geschmacksabhängig und stellen die Qualitäten der Serie nicht in Frage.
Im Ganzen ist "Claymore" eine hervorragende Fantasy-Anime-Produktion, die besonders in ihrer Institutionenkritik die Reife des Genres demonstriert. Der Besprechung zugrunde liegt die UK-DVD-Ausgabe (BBFC 15), die die Serie in englischer Tonfassung sowie OmU präsentiert.
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