Samstag, 30. November 2013

Bewaffnet und gefährlich



Bewaffnet und gefährlich

(Originaltitel: Liberi, armati, pericolosi / Englischer Titel: Young, Violent, Dangerous)

Mario (Stefano Patrizi), genannt "der Blonde", und Luigi (Max Delys), zwei junge Männer aus gutem Hause, haben genug von dem langweiligen bürgerlichen Leben. Sie wollen richtig einen draufmachen und planen einen bewaffneten Überfall. Ihr ruhiger Freund Giovanni alias Joe (Benjamin Lev) kommt ihnen als geschickter Autofahrer gerade recht. Nur dessen Freundin Lea (Eleonora Giorgi) ist mit dem ganzen nicht einverstanden und sucht heimlich die Polizei auf. Dem Kommissar (Tomas Milian) erklärt Lea, es sei eine harmlose Angelegenheit und die Pistolen seien nur Spielzeug. Aber sie mache sich dennoch Sorgen um Joe und seine Freunde. So warten die Polizisten an der geplanten Stelle des Überfalls auf die jungen Männer, um ihnen bei ihrem Schabernack ins Gewissen zu reden. Aber dann kommt alles ganz anders, denn die Waffen von Mario und Luigi sind echt.


 Der Drehbuchautor von "Liberi, armati, pericolosi" hat einen klangvollen Namen für Italo-Gangsterkino-Freunde: Fernando di Leos "Malavita-Trilogie" gehört zu den berühmtesten italienischen Gangsterfilmen und auch hier zeigt sich seine Versiertheit in der Thematik. Mit "Uomini si nasce, Poliziotti si muore" (dt. Titel: "Eiskalte Typen auf heißen Öfen"), verfilmt von Ruggero Deodato, schuf di Leo ein Drehbuch, das in der Hauptrolle ähnlich kaltblütig-indifferente Charaktere zeigt wie Mario und Luigi in diesem Film. Die Regie von "Liberi, armati, pericolosi" übernahm Romolo Guerrieri. In der Besetzung gehören Tomas Milian und Eleonora Giorgi zu den bekanntesten Gesichtern. Milian ist einer der profiliertesten Darsteller des 70er-Italokinos und war in verschiedenen Genres zu Hause, wobei ihn die meisten vermutlich aus seinen Western wie etwa "Lasst uns töten, Compañeros" von Sergio Corbucci kennen. Während er in vielen Filmen den Witzereißer gibt, wie etwa in seinen Auftritten als "Monnezza", hat er hier einen gänzlich ernsten Part, den er hervorragend und noch überzeugender als seine komischen Rollen absolviert.


Eleonora Giorgi war ebenfalls in unterschiedlichsten Genreproduktionen unterwegs, deren bekannteste vielleicht Dario Argentos meisterhafter Horrorfilm "Inferno" ist.


Zwischen Milian und Giorgi respektive ihren Figuren bildet sich ein bemerkenswertes Spannungsfeld. Beide sind zwischen widerstreitenden Interessen hin- und hergerissen. Während der Kommissar primär natürlich gegen die Nachwuchs-Verbrecher vorgehen muss, hält er gleichzeitig mit der Kritik an deren Elterngeneration nicht hinterm Berg, die ihre Söhne zwar materiell verwöhnt, aber ihnen keine Werte vermittelt. Das ist zwar nichts ganz Neues, wird hier aber knapp und markant auf den Punkt gebracht, so dass sich keine Langeweile einstellt. Lea wiederum kämpft hauptsächlich um das Leben ihres Freundes Giovanni, muss aber zunehmend feststellen, dass dieser aus purer Feigheit seinen mordenden Kumpels hilft. Zwischen ihr und Mario bildet sich derweil eine seltsame Chemie heraus, da sie sich als die Charakterstärksten unter der Gaunergemeinschaft erweisen, aber sich auch auf den Tod nicht ausstehen können. Hinzu kommt noch eine latente homoerotische Anziehung zwischen Mario und Giovanni.



Während Lea versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben, begeben sich Mario, Luigi und Giovanni - die sicher nicht zufällig weit verbreitete italienische Namen tragen und vielleicht als Abbild ihrer Generation fungieren - auf einen Raub- und Mordzug, der ihnen kaum etwas einbringt - das erbeutete Geld verteilen sie sogar noch unter Passanten -, aber um so mehr Menschenleben fordert.


Lea gerät durch den Versuch, ihnen zu helfen, in die Fänge von Mario und Luigi, und von da an eilen sie gemeinsam einem zwangsläufig unschönen Schicksal entgegen. Giovanni versucht zwar, Lea zu beschützen, kann aber Mario nicht im Stich lassen, möchte vielleicht sein wie er - ein weiteres Spannungsverhältnis, das zur psychologischen Verdichtung beiträgt.


Auf Inszenierungsebene sind die bewährten Standards des Italo-Gangsterkinos zu erleben: Autojagden, Schießereien, Spannungssequenzen mit nichtsahnenden, mitunter gar gutwillig-hilfsbereiten Zeugen, denen schließlich ein blutiges Ende bereitet wird. Dazu gehört unter anderem Peter Berling, der diverse Auftritte in diesem Genre absolvierte, und hier die skurrile Rolle eines deutschen Tierforschers namens "Herr Obrawald" übernahm - eine Verneigung in Richtung seines westpreußischen Heimatortes Obrawalde.

Was dem Film seine starke Wirkung verschafft, ist neben den oben beschriebenen Spannungsverhältnissen eine - mitunter auch beanstandete - Verschwiegenheit, was Motive angeht. Es wird nicht explizit ausgeführt, was Mario und Luigi antreibt. Allerdings trägt das nur zur Intensität dieser eiskalten Charaktere bei, die bei Luigi noch durch ständiges nervtötendes Witzereißen erweitert wird, das diese Figur - sicher nicht ungewollt - schwer erträglich macht. Seine Zoten verdeutlichen die unermessliche Distanz zwischen ihm und seinen Opfern, geschaffen durch eine Sozialisierung, die das niedere Volk zu Statisten der eigenen Erfolgsstory reduziert.




Romolo Guerrieris fesselndes Gangsterdrama ist in Deutschland auf VHS, mit Handlungskürzungen, sowie in den USA beim Label RaroVideo auf DVD erschienen. Die DVD hat den Regionalcode 0 und bietet italienischen und englischen Ton sowie englische Untertitel an. Das Bild ist 1,85:1 letterboxed, weist aber eine anständige Qualität auf. Die Untertitel sind - dankenswerterweise - auch komplett im Bild, wenn auf 16:9 gezoomt wird. Alles in allem eine Veröffentlichung, mit der man zufrieden sein kann. Eine deutsche DVD-Veröffentlichung wäre natürlich wünschenswert.

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